7 Tage in Entebbe

Bewertung durch susn  65% 
Durchschnittliche Bewertung 68%
Anzahl der Bewertungen 2

Forumseintrag zu „7 Tage in Entebbe“ von susn

susn_15a35adfde.jpg
susn (07.03.2018 23:49) Bewertung
Terror mit Gewissen
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
Die Frage, wer denn nun ein Faschist ist, wird im Laufe dieses Films immer wieder aufgeworfen. Sind es die Israelis, die die Palästinenser unterdrücken? Ist es die deutsche Regierung, in der immer noch die gleichen Faschisten nur unter anderem Namen sitzen? Sind es die beiden Militanten Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike) und Wilried Böse (Daniel Brühl), die als Deutsche helfen israelische Geiseln zu nehmen? Man weiß es nicht. Regisseur Jose Padilha wollte mit seiner Aufarbeitung der Entführung einer Air France Maschine von Tel Aviv nach Paris im Jahr 1976 einen kritischen, facettenreichen Actionthriller drehen. Gelungen ist ihm das aber leider nur in Ansätzen.

Die linken radikalen Zellenmitglieder Kuhlmann und Böse entführen gemeinsam mit zwei Palästinensern am 27. Juni 1976 eine Air France Maschine bei einem Zwischenstopp in Griechenland. Nach einem Auftankstopp im Jemen geht es weiter zum Flughafen Entebbe in Uganda. Forderung der Geiselnehmer: die Freilassung von inhaftierten palästinensischen Terroristen und Militärs. Während Israels Verteidigungsminister Shimon Peres (Eddie Marsan) auf eine Befreiungsaktion drängt, will Premierminister Yitzhak Rabin (Lior Ashkenazi) nach Jahren der militärischen Auseinandersetzung erstmals das Gespräch suchen. Die sich tagelang hinziehende Debatte im Kabinett verunsichert Kuhlmann und Böse, die nicht vorgesehen hatten, dass den Geiseln etwas passiert. Mit Schock muss Böse auch feststellen, dass die Palästinenser beginnen, die jüdischen Geiseln von der Gruppe zu trennen. Die Überzeugung der Deutschen hier einer guten Sache beizuwohnen beginnt allmählich zu bröseln, je näher sie ihren Geiseln in dem kleinen Flughafengebäude kommen.

Es seien zwei Geschichten, die er hier erzählen wolle, erklärt Padilha. Einerseits die der Entführer, andererseits die des Kabinetts. Man habe dafür mit vielen Zeitzeugen und ehemaligen Geiseln geredet. Der hohe Anspruch, einen vielstimmigen, vielseitigen Film zu gestalten funktioniert nur bedingt. Peres und Rabin bekommen eine simple Archetypenüberholung, Peres der kalkulierende Opportunist, Rabin der schwache wirkende Pragmatiker der nicht weiterweiß. In der Entebbe Crew fungieren die palästinensischen Geiselnehmer nur im Windschatten der Deutschen. Nur einmal wird von palästinensischer Seite dargelegt, dass dieser Kampf persönlich sei, weil die eigene Familien durch Israelis umgekommen seien. Böse und Kuhlmann werden dagegen wiederholt vor die Tatsache gestellt, ein Bild der neuen deutschen Antisemiten zu vermitteln. Eine ältere Frau, die Böse heimlich ihre eintätowierte KZ-Nummer zeigt, verstärkt diesen Effekt.

Die inhaltliche Durchwachsenheit wird durch gestalterische Entscheidungen noch forciert. Cutter Daniel Rezende wurde die etwas protzig wirkende Aufgabe aufgetragen, die Befreiungsaktion der Israelis, auf die sie sich schließlich einigen, nicht nur mit Zwischenschnitten zum Kabinett zu unterlegen, sondern auch zu einem modernen Tanzauftritt, in dem die wenig interessante Freundin eines Befreiungssoldaten (Ben Schnetzer) auftritt. Eine unnötige Fingerübung, die inhaltlich wenig beiträgt. Der Film versucht dringlichst packend zu sein, emotional zu bewegen, aber der Konflikt will nicht so recht greifen, da die Charaktere ihn in erster Linie intern austragen. Dass hier Terroristen humanisiert werden ist ein mutiger Ansatz, aber ihre individuellen Motivationen stehen zu wenig im Kontrast zueinander.

Für eine Welt, in der der Israeli-Palästinenser Konflikt nach wie vor eines der großen Fragezeichen der gegenwärtigen Weltpolitik ist, ist der Film leider zu wenig um neue Denkanstöße zu kreieren. Man werde nicht ewig nur militärisch antworten können, erklärt Rabin nach gelungener Mission dem sich selbst gratulierenden Peres. Diesen Gedankengang nicht weiter zu verfolgen und auszubauen, ist eine der großen verpassten Chancen dieses Films.
 
 

zum gesamten Filmforum von „7 Tage in Entebbe“
zurück zur Userseite von susn