Yocho (Foreboding)

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Forumseintrag zu „Yocho (Foreboding)“ von deutobald

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deutobald (24.02.2018 14:46) Bewertung
„Die Wöt steht auf kan Foi mehr laung“
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
Von der ersten Sekunde des Filmes an verdichten sich in Etsukos Umfeld langsam aber stetig unangenehme Vorzeichen: mit ihrem Mann scheint etwas nicht zu stimmen und ihre Arbeitskollegin bittet sie um Hilfe gegen einen fremden Mann in ihrem Haus: offenbar erkennt sie ihren Vater nicht mehr, ja sie weiß nicht einmal mehr was der Begriff „Familie“ bedeutet.

Geschickt kombiniert Kiyoshi Kurosawa in seinem neuen Film traditionelle Stilmittel des Horrors: Gewohntes läuft aus dem Ruder, ehemals vertraute Mitmenschen haben plötzlich Geheimnisse und all dies wird nur von einer Person der Handlung, idealerweise der arglosesten, erkannt. In diesem Falle die filigrane Etsuko.

Trotzdem ist „Yocho“ anders als das übliche perfekt inszenierte Weltuntergangskino aus Asien, da Kurosawa gleichzeitig auf etliche Pflichtbestandteile des Genres verzichtet: kein bombastischer Soundtrack (im Gegenteil: sehr sparsam eingesetzte, grandios subtile Originalmusik von Yusuke Hayashi), keine Massenszenen, Kamerafahren oder Spezialeffekte. Ja selbst die wichtigsten Schauplätze der Handlung sind unspektakulär und dem Zuschauer bald vertraut: die kleine Textilfabrik in der Etsuko arbeitet, das Krankenhaus wo ihr Mann und Dr. Makabe miteinander mauscheln und die Wohnung des Ehepaares. Kammerspielatmosphäre.

Das Gefühl man habe es mit einem Theaterstück zu tun kommt nicht von ungefähr: die dramatische Vorlage heisst „Before We Vanish“ und stammt vom Autor Tomohiro Maekawa. Kurasawa hat sich übrigens bereits vor der bei der Berlinale präsentierten 140minütigen Spielfilmfassung dem Stück in Form einer TV-Serie gewidmet.

„Yocho“ ist der neuerliche Beweis, dass die unheimlichsten Filme nicht jene sind, wo das Grauen aus dem All nicht in Gestalt von Raumschiffen oder aufwändig maskierten Schauspielern daherkommt, sondern wo der - vielleicht nur vermeintliche - Ausserirdische aussieht wie der gute Mensch von nebenan. Nie kann sich das Figurenpersonal sicher sein ob die vermutete Gefahr nicht doch nur Einbildung ist. Ja selbst jene die in die Vorgänge eingeweiht sind und meinen alles unter Kontrolle zu haben, geben sich möglicherweise einer Illusion hin. Und mit ihnen das Publikum.
 
 

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