Love, Simon

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Forumseintrag zu „Love, Simon“ von Stadtneurotikerin

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Stadtneurotikerin (22.06.2018 14:32) Bewertung
Der Mainstream outet sich endlich
Exklusiv für Uncut
Homosexualität im Kino ist eigentlich längst nichts Neues mehr. Das Queer Cinema brachte in den letzten Jahren so viele Filmperlen hervor wie kaum eine andere Sparte. „Brokeback Mountain“, „Milk“, „Blau ist eine warme Farbe“, „Carol“, „Moonlight“, „Call Me By Your Name“ - sie waren in aller Munde und vor allem auf allen Preisträgerlisten. Doch die breite Masse blieb von ihnen bisher weitgehend unberührt. „Love, Simon“ wird als Meilenstein des Queer Cinema gehandelt, weil er genau das ändert. Es ist der erste Studiofilm mit einem schwulen Protagonisten, der auf ein Mainstream-Publikum abzielt.

Der Film erzählt eine Coming-Of-Age-Story, die auch eine Coming-Out-Story ist. Der 17-jährige Simon hat alles, was man sich in seinem Alter nur wünschen kann. Doch trotz seiner perfekten Familie und seinen tollen Freunden quält ihn ein Geheimnis. Er ist schwul. Als er auf einer Social Media-Plattform erfährt, dass es an seiner Schule einen anderen Schwulen gibt der jedoch anonym bliebt, wittert er seine Chance auf die erste Liebe. Doch den mysteriösen Blue ausfindig zu machen und dabei sein eigenes Geheimnis zu bewahren entpuppt sich schon bald als Drahtseilakt, dem er nicht ganz gewachsen ist.

Greg Berlantis Adaption von Becky Albertallis Jugendroman „Simon vs. The Homo Sapiens Agenda“ (deutscher Titel „Nur drei Worte“) erzählt Simons Geschichte ohne viel künstlerischen Anspruch. Ästhetisch bleibt außer einer absolut verpatzten Tanz/Musical-Szene, die ein bisschen so sein möchte wie die aus „500 Days of Summer“ aber kläglich daran scheitert, nicht viel vom Film in Erinnerung. Viel mehr Mühe gibt sich der Film allerdings damit, eine berührende Story zu erzählen. Im Drehbuch steckt viel Herz und Humor und die DarstellerInnen schaffen es, das auch auf die Leinwand zu transportieren. Jungdarsteller wie Nick Robinson (Simon) und Katherine Langford (bekannt aus der Serie „13 Reasons Why“) geben solide Performances ab. Ebenfalls toll sind der aus „Arrested Development“ bekannte Tony Hale als schräger, aber herzlicher Direktor und Jennifer Garner als liebevolle Vorzeige-Mutter, die eine der schönsten Reden im Film hält.

Wie von romantischen Mainstream-Komödien gewohnt, ist auch „Love, Simon“ Teil der Wiederverwertungsmaschine alter Klischees. Vom High-School-Sweetheart bis hin zu großen Liebeserklärungen im Football-Stadium lässt der Film kaum etwas aus. All die Klischees und all der Kitsch sind allerdings Mittel zum Zweck. Deren Einsatz ist gezielt und wirkungsvoll und promotet nicht wie bei anderen Rom-Coms ein unrealistisches Bild von Liebe, sondern schlicht und einfach Toleranz. Das ist eine wichtige Botschaft, die einer ganzen Generation an jungen Menschen, die ihr Outing noch vor sich haben, Mut und Hoffnung schenken will und das auch tut. Der kanadische Regisseur Xavier Dolan, spätestens seit „Mommy“ selbst einer der Großen des Queer Cinema, hat sogar einen Liebesbrief an „Love, Simon“ geschrieben, in dem er meint, er hätte mit fünfzehn einen Film wie diesen gebraucht. Umso schöner, dass es ihn jetzt gibt – den Mainstream- Film, der bereits junges Publikum mit Themen wie Homosexualität konfrontiert und das auf eine Art tut, die sie glücklich aus dem Kino entlassen wird.

„Love, Simon“ ist ein zuckersüßer Film, der wäre er heteronormativ, zu Diabetes führen würde. Bei einem queeren Film funktioniert der Zuckerüberguss allerdings perfekt. Ein Hoch auf die Liebe, denn jeder hat sie verdient.
 
 

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