La vendedora de fósforos

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Forumseintrag zu „La vendedora de fósforos“ von Orson

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Orson (26.10.2017 22:34) Bewertung
Ein Kinderspiel
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
„La Vendedora de Fósforos“ von Alejo Moguillansky ist einer dieser kleinen, kaum beachteten Spielfilme, die sich in der Festivallandschaft herumschleichen und diese bezaubern. Es ist eine lediglich 71 Minuten lange, jedoch vollgepackte Miniatur.

Strukturiert als Partitur, gegliedert in eine Ouvertüre und drei Sätze, ist es vor allem eine halbdokumentarische Aufnahme der Vorbereitungen zur Aufführung einer avantgardistischen Oper des deutschen Komponisten Helmut Lachenmann (der sich selbst spielt) in Buenos Aires. Die Oper basiert eigentlich auf Hans Christian Andersens titelgebendem Märchen „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“, kombiniert dieses jedoch u.a. mit Leonardo da Vincis Betrachtungen über einen Vulkan und der Geschichte von Gudrun Ensslin und der Rote Armee Fraktion. Schon daraus kann man schließen, dass das Element des Feuers in diesem Film sehr unterschiedliche Bedeutungen hervorbringt. Ähnliches widerfährt auch dem Märchen selbst, dass in unterschiedlichen Tonlagen und mit anderen Betonungen von mehreren Personen für wechselndes Publikum erzählt wird.

Abgesehen von diesem Grundgerüst ist Moguillanskys Film auch die fiktive Geschichte einer jungen kreativen Familie. Walter (Walter Jakob) führt bei der erwähnten Oper Regie, Marie (María Vilar) arbeitet als Assistentin der Pianistin Margarita Fernández (die sich auch selbst spielt) und die gemeinsame Tochter Cleo (Cleo Moguillansky) begleitet ihre Eltern bei der Arbeit. Die Diskussionen, die dieses menschliche Geflecht hervorbringt, befassen sich mit diversen Dichotomien: Wiener Klassik und atonale klassische Musik, Kreativität und Pragmatismus in der Kunst- und Kulturbranche, Film und Musik, Öffentliches und Privates, Elite und Widerstand, Traum und Wirklichkeit. Wobei ähnlich wie in der Musik immer wieder die gleichen Motive auftauchen. Zu den amüsantesten gehören dabei sicher Ennio Morricones Musik zu „Once Upon a Time in the West“ (Sergio Leone, 1968) und der Esel aus Robert Bressons „Au Hasard Balthazar“ (1966).

Was suchen also die Protagonisten in Moguillanskys Film? Das gleiche wie das Mädchen aus dem Märchen? Im Laufe des Films kann man die Motivation hinter einigen Handlungen hinterfragen. Und wahrscheinlich erklärt sich das Narrativ noch besser, wenn man genau weiß wieso bestimmte Musikstücke in bestimmten Szenen vorkommen. Aber vielleicht ist das alles auch egal. Vielleicht streben alle nur nach der Schönheit der Kunst als Bereicherung für das eigene Leben. Oder es ist alles wirklich nur wie die Beschreibung, die Lachenmanns Werk von Fernández zugesprochen wird: ein Kinderspiel.
 
 

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