Thirst Street

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Forumseintrag zu „Thirst Street“ von littlesuSAnshine

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littlesuSAnshine (04.11.2017 13:04) Bewertung
Tiefgehende Liebe oder gefährliche Obsession?
Wie so oft im Leben gibt es Beziehungen, in denen der eine mehr will als der andere. Genau diesem Thema widmet sich der amerikanische Regisseur Nathan Silver in seinem Film „Thirst Street“, der in den Clubs, Appartements und Straßen von Paris spielt und von einer von Liebe besessen Frau erzählt, die durch ihren Wahn die Kontrolle über ihr Leben verliert.

Nach einem traumatischen Erlebnis in ihrer Heimat im Bundestaat New York geht Flugbegleiterin Gina (Lindsay Burdge) ihrer Arbeit nach, als sei nichts gewesen. Als sie während eines Aufenthalts in der französischen Hauptstadt zusammen mit ihren Arbeitskolleginnen eine Wahrsagerin aufsucht, prophezeit ihr diese eine neue Liebe, die sie anhand seiner Augen erkennen würde. In einer zwielichtigen Tanzbar in den Straßen von Paris steht er plötzlich vor ihr: Ein charmanter, von einer Binderhautentzündung befallener Barkeeper namens Jérôme. Nach einer leidenschaftlichen gemeinsamen Nacht entwickelt die Amerikanerin Gina große Gefühle für den possierlichen Franzosen, die seinerseits allerdings nie erwidert werden. Vom trübenden Blick der Liebe geleitet, zieht sie kurzerhand nach Paris und lässt ihr Leben in New York hinter sich. Sie mietet sich eine Wohnung mit Sicht auf Jérômes Appartement und folgt ihm auf Schritt und Tritt. Nicht nur ist Gina extrem anhänglich und besitzergreifend, sie fängt zudem an ihren Geliebten zu stalken und auszuspionieren. Als Jérômes Ex-Freundin Clémence (Esther Garrel) dann wieder in sein Leben tritt, verliert Gina jegliche Kontrolle und in ihren Gedanken verschmelzen Realität und Illusion nun untrennbar miteinander.

Die Geschichte lässt tief in die Gefühlswelten ihrer Figuren blicken, was besonders durch die Voice-Over-Erzählerin, welche von Anjelica Huston poetisch anmutend eingesprochen wurde, begünstigt wird. Die Zuschauerschaft weiß oft mehr über den Hintergrund und die Emotionen der von übertriebenen Liebe besessenen Protagonistin Gina, als sie selbst geschweige denn ihr Geliebter beziehungsweise „Opfer“ des Szenarios. Dadurch kann man Ginas verrücktes Verhalten, auch wenn man es für falsch und ungesund hält, durchaus verstehen und urteilt milder über ihre verlogenen, aufmerksamkeitserregenden Aktionen, die ihr mehr Nähe zu ihrem vermeintlichen Traummann verschaffen.

Auch wenn die Story an sich ganz nett ist, ist sie trotzdem nicht sonderlich spannend oder innovativ gestaltet. Aber diese Schwäche wird mit der Visualisierung der Images wieder kompensiert. Die Tanz- und Erotikszenen sind allesamt sehr sinnlich inszeniert und legen einen besonderen Fokus auf extrem schöne Frauenkörper. Zudem erstrahlt der Film in satten, fast grellen Farben, die an frühe Musicalfilme, für die die Protagonistin Gina eine Schwäche hat, erinnern. Der Himmel ist so blau, dass er künstlich wirkt. Fern ab von der Realität, genauso wie Ginas Gedankengut. Auch innerhalb der Räume, besonders in Abend- oder Nachtszenen tauchen die Figuren in eine in Grün- und Blautöne getauchte Welt ein. Dieser oft verwendete Komplementärkontrast steht in vielen Szenen in Verbindungen mit dem inhaltliche Geschehen und wirkt daher (meistens) nicht willkürlich platziert. Wenn man zum Beispiel in einer Szene merkt, wie Jérôme sich von der übereifrigen Gina emotional distanzieren möchte erstrahlt sein Gesicht im grünen Licht, während die liebestrunkene Gina (im selben Zimmer wohlgemerkt) in einem grellen Rot, á la Technicolor, erleuchtet. Diese künstlichen und traumartigen Sequenzen durchziehen den gesamten Film und spiegeln auch das Innenleben Ginas wider, die selbst zwischen ihren Illusionen, ihrer Realität und der echten Realität schwebt.
 
 

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