Das Haus am Meer

Bewertung durch sobarbso  75% 
Durchschnittliche Bewertung 75%
Anzahl der Bewertungen 1

Forumseintrag zu „Das Haus am Meer“ von sobarbso

sobarbso (15.11.2017 11:34) Bewertung
Familiendrama an der französischen Küste
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
Drei Geschwister mittleren Alters treffen in ihrem Elternhaus in einem französischen Küstenort aufeinander, nachdem ihr Vater einen Schlaganfall erleidet. Angèle (Ariane Ascaride), Joseph und Armand haben sich jahrelang nicht gesehen – jetzt sind sie zusammengekommen um die Erbschaft zu regeln und sich um den Vater zu kümmern.

Im Zentrum des Films steht das Familiendrama, in dem die Geschwister in Erinnerungen schwelgen und sich vielleicht nicht unbedingt versöhnen, aber zumindest mehr übereinander lernen und ihre Handlungen und Gedanken besser verstehen. Kurze romantische Episoden im Film lockern die Tragödien der Vergangenheit, aber auch die, die dem kleinen Küstenort im Jetzt widerfahren, auf erfrischende Weise auf.

Im letzten Drittel des Films überrascht Regisseur Robert Guèdiguian aber mit einer völlig neuen Storyline – Joseph und Armand entdecken drei Flüchtlingskinder (wie die drei Hauptpersonen im Film zwei Brüder und eine Schwester) im Gestrüpp. „La Villa“, zuerst eine sehr persönliche Geschichte, wird so auf einmal ein Film über ein globales Problem. Warum sich Guèdiguian dazu entschied, erst so spät im Film politisch zu werden, ist eine berechtigte Frage. Der Mut war da, aber anscheinend nicht groß genug, um dem Thema der Flüchtlingskrise mehr Raum zu geben. So kann der Film sein Potential in dieser Hinsicht nicht ganz entwickeln.

Trotzdem ist „La Villa“ tiefsinnig, berührend, und in einzelnen Momenten komisch. Als schönste Szene lässt sich ein Flashback in die Jugend von Angèle, Armand und Joseph hervorheben. Die Bildmontage zeigt die drei Geschwister zuerst gemeinsam im Auto, dann an der Küstenpromenade und schließlich im Wasser, musikalisch hinterlegt mit Bob Dylans „I Want You“. Das Interessante dabei ist, dass die Szene aus einem anderen Film von Regisseur Guèdiguian stammt – „Ki lo sa?“ aus 1985 – und sich aufgrund der Tatsache, dass es sich um dieselben Schauspieler handelt, perfekt in den Film einfügt.

Wäre Guèdiguian bei einem der beiden Schwerpunkte (Familiendrama oder Flüchtlingskrise) geblieben, wäre wahrscheinlich ein insgesamt befriedigenderes Filmerlebnis daraus geworden. Dennoch ist sein Film überzeugend, und eine gute Wahl als Abschlussfilm der 55. Ausgabe der Viennale. Am Ende gibt es kein kitschiges, aufdringliches, offensichtliches Happy End, sondern eines das einen hoffnungsvoll stimmt.
 
 

zum gesamten Filmforum von „Das Haus am Meer“
zurück zur Userseite von sobarbso