Der Dieb

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8martin (22.06.2019 16:44) Bewertung
Der Rächer
Pawel Tschuchrai hat mehr als nur ein sehr subtiles auf eindrucksvollen individuellen Facetten beruhendes Portrait der sowjetischen Gesellschaft nach dem 2. Weltkrieg gemacht. Er zeigt in beeindruckender Optik eine Geschichte die unter die Haut geht. Er setzt dabei für den russischen Film (1997) auf ungewöhnlich offenherzige Aspekte. Im Fokus der Handlung stehen die Witwe Katja (Jekaterina Rednikowa) und ihr kleiner Sohn Sanja (überragend Michail Filiptschuk), aus dessen Perspektive der Film erzählt wird.
Mutter und Sohn schließen sich dem angeblichen Offizier Toljan (Wladimir-derNeueRusse-Maschkow) an. Der ist aber von ‘Beruf‘, was der Titel des Films benennt. Außerdem ein charmanter Dampfplauderer, der im weiteren Verlauf immer mehr zum intoleranten, autoritären Ersatzvater und Frauenheld wird. Katjas anfängliche Zuneigung schlägt in eine Hass-Liebe um, einem Verhältnis, in dem die Liebe noch nicht ganz erloschen ist. Feste in den Hausgemeinschaften, in denen die drei leben, mit viel Wodka und Gesang nutzt Toljan, um später die Wohnungen auszurauben. Er zwingt Sanja, ihm bei den Einbrüchen zu helfen. Aber er führt ihn auch in die russische Sauna ein.
Doch er wird verhaftet, Katja stirbt, Sanja bleibt allein zurück. Kein Happy End also, sondern Rache. Und bei aller Dramatik gelingt es, die neuen Eltern in einem Zwielicht zu zeigen, das zu Herzen geht. Toljan steht zwischen seiner neuen Vaterrolle und seinem Job als Dieb, Katja zwischen der Liebe zu ihrem Sohn und dem mitunter umwerfend nettem Mann, der für Sex und Abenteuer steht. Und Sanja fürchtet und bewundert Toljan.
Die ganze Melodramatik wird durch einen Epilog aufgefangen. Sanja trifft nach Jahren Toljan wieder. Er glaubt, dass dieser ihn und seine Mutter verraten hat…
Kurze Ausflüge in den Fantasiebereich kommen ins Bild, wenn Sanja seinen leiblichen Vater, den er nie gekannt hat, mehrmals auf sich zukommen sieht. Nach seiner Rache sind diese Bilder allerdings verschwunden. Die Oscarnominierung bestand zu Recht. Ein Erlebnis!
 
 

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