Final Portrait

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Forumseintrag zu „Final Portrait“ von Stadtneurotikerin

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Stadtneurotikerin (07.03.2017 20:53) Bewertung
„What we do here is pointless and impossible“
Die Hollywood-Größe mit italienischen Wurzeln Stanley Tucci hat sich zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder in den Regie-Sessel gesetzt – und zwar für eine britische Produktion. „Final Portrait“ erzählt die Geschichte des Schweizer Malers und Bildhauers Alberto Giacometti. Jedoch hat sich Tucci dagegen entschieden, ein typisches Biopic zu machen, sondern James Lords Erinnerungen an seinen Freund Giacometti adaptiert. James Lord war ein amerikanischer Autor und Kunstliebhaber, der in den 60ern in Paris die Ehre hatte, sein Portrait von Giacometti malen zu lassen und genau davon handelt der Film. Lord sitzt an seinem letzten Tag in Paris Modell für den Maler. Doch das Portrait gestaltet sich schwieriger als gedacht. Aus Lords letztem Tag werden gefühlte tausend letzte Tage für ein Portrait, das niemals seinen Abschluss findet.

Armie Hammer spielt eben diesen Autor, er spielt aber auch die typische Rolle des Amerikaners in Paris. Als er eingeladen wird in Giacomettis Atelier (das an sein Haus grenzt), bekommt er nicht nur Einblicke in seine Kunst, sondern auch in sein Privatleben. Er lernt seine Frau kennen, aber auch seine Geliebte. Vor allem aber lernt er einen exotisch-französischen Lebensstil kennen, den ein prüder Amerikaner so nicht pflegen würde. Lord ist neugierig und fasziniert auf der einen Seite, distanziert und höflich auf der anderen.

Geoffrey Rush spielt den besagten Maler – und tut dies mit Bravour. Als kettenrauchender Künstler, der sich seines Namens bewusst ist, aber an seinem Können zweifelt, sieht er in dem Portrait von Lord eine Hürde, der er nicht überwinden kann. Denn seiner Meinung nach ist Kunst „pointless und impossible“ (also sinnlos und unmöglich). Da er weiß, dass er sein Portrait niemals vollenden kann, prokrastiniert er vor sich hin und geht lieber essen oder spazieren mit seinem Freund Lord. So verschiebt er die Arbeit am Portrait Tag für Tag und wenn er einmal Fortschritte am Portrait macht, übermalt er dieses wieder, weil er nicht zufrieden ist. Es ist eine wahre Sisyphusarbeit aus der es kein Entkommen gibt, die aber den zwei Männern viel Zeit gibt, über Gott und die Welt und vor allem über die Kunst zu philosophieren.

Auch der Film selbst reflektiert diese Haltung Giacomettis. Tucci macht den kreativen Prozess zu einem Vergnügen, jedoch weiß er, dass er niemals ein zufriedenstellendes Ende finden kann. Erst als Lord selbst ungeduldig wird in dieser Endlosschleife des kreativen Schaffens, bricht er aus und lässt somit den Film etwas abrupt, aber dennoch adäquat enden.

„Final Portrait“ macht intellektuell Spaß, ist aber auch sehr schön anzuschauen. Die etwas verwackelten Aufnahmen der Handkamera sind sehr charmant. Die Farben sind entsättigt, dennoch bringen die zwei Frauen im Film mit ihren Lippenstiften und Kleidern aufregende Farbakzente ins Bild und beleben den Film optisch. Alles in allem ist der Film ein wahres Vergnügen, wenn man sich darauf einlässt, nicht an der Endlosschleife wie Giacometti zu verzweifeln.
 
 

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