Red Sparrow

Bewertung durch DanyBoy  65% 
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Forumseintrag zu „Red Sparrow“ von DanyBoy


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DanyBoy (02.03.2018 15:48) Bewertung
Vom Spotttölpel zum Spatzen
Exklusiv für Uncut
Lange ist es nun her, seit sich Jennifer Lawrence mit Pfeil und Bogen durch die Hungerspiele geprügelt hat. Nun arbeitet sie erneut mit Francis Lawrence (Regisseur der Teile 2-4 der Panemreihe) zusammen. Francis Lawrence präsentiert mit „Red Sparrow“ einen weiteren Beitrag zu den Spionagethrillern, die sich in den Schatten des USA-Russland-Konflikt abspielen. Der Film basiert dabei auf dem gleichnamigen Buch des ehemaligen CIA-Mitarbeiters Jason Matthews.

Dominika Egorova (Jennifer Lawrence) ist eine junge talentierte Primaballerina, angestellt am russischen Staatstheater und hat soweit ein erfülltes Leben. Sie liebt tanzen und kann mit ihrem Job, sowohl die Wohnung als auch die Arztrechnungen ihrer Mutter bezahlen. Ihr Leben bricht jedoch zusammen, als ihr Partner während einer Vorstellung auf ihr Bein spring und so ihre Wadenknochen brechen. Da sie nun für die Produktion keinen Wert mehr hat, ist es nur einer Frage der Zeit bis ihr das Geld ausgeht. Dominikas Onkel bietet seine Hilfe an, im Tausch gegen einen kleinen Gefallen. Dominika soll einen potenziellen Verräter bezirzen und Beweise sammeln. Ihr Onkel (Matthias Schoenaerts) erkennt ihr Potenzial und schickt seine Nichte auf eine besondere Schule. Hier werden junge russische Offiziere zu „Spatzen“ ausgebildet. Dazu trainiert Menschen zu manipulieren und mithilfe ihres Körpers an wichtige Informationen zu kommen. Dominikas erster Auftrage ist es, den CIA-Agenten Nat Nash (Joel Edgerton) zu umgarnen. Doch Dominika hat eigene Pläne und beginnt ein gefährliches Doppelspiel.

Das erste was bei diesem Film leider sofort auffällt ist, wie amerikanisch er sich anfühlt. Obwohl der Film in Russland spielt und eine russische Geschichte erzählt, wird man das Gefühl nie los, das ein Amerikaner, mit seiner Sicht auf Russland, einen Film über russische Agenten gemacht hat. Zum großen Teil ist dies sicherlich dem nichtrussischen Cast zu geschuldet. Der sich zwar jede Mühe gibt es aber kaum schafft, einen überzeugenden Akzent konstant aufrecht zu erhalten. Matthias Schoenaerts ist hier die lobenswerte Ausnahme. Sonst ist der Cast sehr durchwachsen, wobei Joel Edgerton und Matthias Schoenaerts hervorstechen. Jennifer Lawrence spielt nicht schlecht, aber recht unauffällig.

„Red Sparrow“ quillt nur so über mit Ideen, Ansätzen und Erzählsträngen, doch schafft er es nicht alles unter ein Dach zu bringen. So hat der Film eine sehr starke Eröffnung mit einer klugen Parallelmontage, in der wir zwischen Dominikas Ballettaufführung und Nats Mission in Moskau springen, untermalt von der pompösen Musik, des russischen Balletts. Eine ähnlich ausdrucksstarke, weil wortlose, Montage findet sich gegen Ende wieder. Auch Dominikas Wandel von einer ehrgeizigen Tänzerin zu einer Frau, die alles für ihr Überleben gibt, ist spannend und klug inszeniert, wenn auch fast zu kurz. Doch spätestens ab der Sparrowschule verliert sich der Film in sich selber. Der Film wechselt zwischen mehreren Handlungssträngen und vor allem zwischen mehreren Zielen und verschiedener Charakter hin und her. Mal muss ein Maulwurf in den eigenen Reihen gefangen werden, die Zielperson muss verführt werden, aber auch die eigene Flucht geplant werden, während die nächste Person ihre eigene Flucht plant. Wirklich schade ist, dass all diese Handlungsstränge per se sehr spannend sind und außerdem tatsächlich alle wieder zusammengeführt und aufgelöst werden, jedoch nur auf Kosten eines viel zu langen Mittelteils, der den Film unnötig lang macht. Auch das Vorhaben, in diesen Sequenzen viele verschieden Stimmungen und Atmosphären schnell aufeinander folgend zu haben, funktioniert nicht immer besonders gut. Allzu offensichtlich und abstrus wird dies in einer Sequenz, mit der normalerweise charmanten Mary-Louis Parker, die versucht besonders lustig zu sein. Die Rechnung auf innere Spannung, statt auf viel Action zu setzten, geht dadurch leider nur zum Teil auf.

Am besten funktioniert „Red Sparrow“ in seinen wortlosen Begegnungen. Diese können unglaublich brutal oder unglaublich sensibel sein. So zählen eine Folterszene und ein Telefonat zu den besten Augenblicken des Films. Auch für die erotischen Momente hat Francis Lawrence ein gutes Händchen. So ist es sehr interessant zu sehen, wie gerade die Szenen, in denen Lawrence nackt ist oder andere mit ihrem Körper manipuliert, für den Zuschauer höchst unerotisch sind. Sie fühlen sich kalt und distanziert an, jedoch nachvollziehbar wie jener Charakter in diesem Moment verführt wird. Die persönlichen, intimen Begegnungen, in welchen man verhältnismäßig wenig Haut sieht, sind jene die auch eine interessante eigene Erotik haben. Geschickt zeigt Lawrence, dass Erotik nicht durch den Körper entsteht, sondern durch die Inszenierung eben jenes Körpers. Wir als Zuschauer verstehen wie ein Charakter gerade verführt wird, erleben es jedoch selbst nicht so. Nur in den ehrlichen Momenten wird Jennifer Lawrence so inszeniert das es auch für den Zuschauer knistern kann.

Leider leidet auch dieser Film unter dem „Böse-Russen-Syndrom“ so gibt es kaum einen Charakter der russisch und gut ist oder russisch und nachvollziehbar. Denn die einzigen Charaktere, die eine Motivation bekommen sind Amerikaner oder Russen die nach Amerika wollen. Die restlichen Russen werden dumpf mit dem Wort „Patriot“ gebrandmarkt. Besonders ärgerlich wird es, wenn Nat und Dominika sogar ein Gespräch beginnen, in dem es um Patriotismus geht und darum warum sie machen was sie machen, aber das ganze nur im Sande verläuft und nirgendwo hin verläuft.

Am Ende ist „Red Sparrow“ ein guter Genrebeitrag, mit einigen sehr guten Momenten, der für einen Kinobesuch auf jeden Fall geeignet ist. Leider nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.
 
 

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