Paterson

Bewertung durch Orson  80% 
Durchschnittliche Bewertung 81%
Anzahl der Bewertungen 8

Forumseintrag zu „Paterson“ von Orson

orson_46084c1270.jpg
Orson (23.10.2016 13:24) Bewertung
Ein Busfahrer und wie er die Welt sah
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
Die Geschichte ist schnell erzählt. Sie handelt von einer Woche im Leben eines dichtenden Busfahrers, seiner hyperkreativen Freundin, deren Hund und der Mitmenschen, die gegenüber dem Protagonisten entweder zufällige Fremde oder Bekannte sind. Teile des Publikums werden nach dem Film kommentieren, dass nicht viel passiert ist. Tatsache ist jedoch, dass sich auf der Leinwand das Wichtigste überhaupt abspielt, nämlich das Leben selbst.

Der aufmerksame Zuschauer wird erkennen, dass dies durch Spiegelungen geschieht, seien sie diegetischer oder externer Form. Der Protagonist hat den gleichen Namen wie der Ort, in dem er sein Leben lang wohnt. Die Farb- und Formkombinationen, die seine Freundin künstlerisch umsetzt, wuchern bald in allem was irgendeinen Bezug zur Wohnung hat. Die Gedanken, die sich durch gehörte Informationen in Patersons Kopf einnisten, finden oft und bald quasi zufällige visuelle Entsprechungen. In einer Szene werden beide heuer produzierten Jim Jarmusch Filme miteinander verwoben, nämlich dieser und der Dokumentarfilm „Gimme Danger“, der ebenfalls auf der Viennale läuft. Und zu guter Letzt könnte man die Prämisse von „Paterson“ als Nachhall der Geschichte des Tabakladenbesitzers aus Wayne Wangs und Paul Austers Doppel „Smoke – Raucher unter sich“ und „Blue in the Face – Alles blauer Dunst“ verstehen, wobei im letzteren Film Jim Jarmusch tatsächlich eine Schauspielerrolle innehatte. Womöglich fungierte aber auch der portugiesische Dichter und Handelsangestellter Fernando Pessoa als Pate dieser Geschichte.

Zentral ist nämlich die Figur eines Künstlers, eines Autors, der – egal welchen banalen, repetitiven Tätigkeiten er bei der eigentlichen Brotarbeit oder im Alltag nachgeht – nie aufhört Impulse aufzunehmen, Details zu beobachten und die Fragmente seiner Texte mit sich zu tragen. Die Hauptfigur wird gespielt von Adam Driver, dem 2010 noch gänzlich unbekannten Schauspieler, der es in den letzten Jahren immerhin geschafft hat neben Jarmusch auch für Clint Eastwood, Noah Baumbach, Steven Spielberg, Joel und Ethan Coen, J. J. Abrams und Jeff Nichols vor der Kamera zu stehen. Seine zenartige Darstellung spendet die richtige Intonation für diesen Film, der wie ein Fluss unaufgeregt dahinfließt und dessen einzige Brüche wohl die Texte sind, die ab und zu handschriftlich aufscheinen. Im Sinne der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung sucht Paterson zwar auch nach „Leben, Freiheit und Glück“, doch seine Bedürfnisse sind bescheiden. Vielleicht zu sehr für die modernisierte Umgebung, der er auch durch die konsequente Nichtverwendung elektronischer Hilfsmittel freiwillig entflieht, weil er eben – wie übrigens der Film selbst auch – seinen spezifischen Rhythmus braucht. Die Ironie der Filmproduktionswelt ist, dass „Paterson“ ein Kind des IT-Giganten Amazon ist, der sich durch sein Tochterunternehmen Amazon Studios (neben dem gleichgesinnten Konkurrenten Netflix) allmählich zu einem Major im Bereich TV und Film entwickelt.
 
 
 
Orson (23.10.2016 13:24)
Ein Busfahrer und wie er die Welt sah
Die Geschichte ist schnell erzählt. Sie handelt von einer Woche im Leben eines dichtenden Busfahrers, seiner hyperkreativen Freundin, deren Hund und der Mitmenschen, die gegenüber dem Protagonisten entweder zufällige Fremde oder Bekannte sind. Teile des Publikums werden nach dem Film kommentieren, dass nicht viel passiert ist. Tatsache ist jedoch, dass sich auf der Leinwand das Wichtigste überhaupt abspielt, nämlich das Leben selbst.

Der aufmerksame Zuschauer wird erkennen, dass dies durch Spiegelungen geschieht, seien sie diegetischer oder externer Form. Der Protagonist hat den gleichen Namen wie der Ort, in dem er sein Leben lang wohnt. Die Farb- und Formkombinationen, die seine Freundin künstlerisch umsetzt, wuchern bald in allem was irgendeinen Bezug zur Wohnung hat. Die Gedanken, die sich durch gehörte Informationen in Patersons Kopf einnisten, finden oft und bald quasi zufällige visuelle Entsprechungen. In einer Szene werden beide heuer produzierten Jim Jarmusch Filme miteinander verwoben, nämlich dieser und der Dokumentarfilm „Gimme Danger“, der ebenfalls auf der Viennale läuft. Und zu guter Letzt könnte man die Prämisse von „Paterson“ als Nachhall der Geschichte des Tabakladenbesitzers aus Wayne Wangs und Paul Austers Doppel „Smoke – Raucher unter sich“ und „Blue in the Face – Alles blauer Dunst“ verstehen, wobei im letzteren Film Jim Jarmusch tatsächlich eine Schauspielerrolle innehatte. Womöglich fungierte aber auch der portugiesische Dichter und Handelsangestellter Fernando Pessoa als Pate dieser Geschichte.

Zentral ist nämlich die Figur eines Künstlers, eines Autors, der – egal welchen banalen, repetitiven Tätigkeiten er bei der eigentlichen Brotarbeit oder im Alltag nachgeht – nie aufhört Impulse aufzunehmen, Details zu beobachten und die Fragmente seiner Texte mit sich zu tragen. Die Hauptfigur wird gespielt von Adam Driver, dem 2010 noch gänzlich unbekannten Schauspieler, der es in den letzten Jahren immerhin geschafft hat neben Jarmusch auch für Clint Eastwood, Noah Baumbach, Steven Spielberg, Joel und Ethan Coen, J. J. Abrams und Jeff Nichols vor der Kamera zu stehen. Seine zenartige Darstellung spendet die richtige Intonation für diesen Film, der wie ein Fluss unaufgeregt dahinfließt und dessen einzige Brüche wohl die Texte sind, die ab und zu handschriftlich aufscheinen. Im Sinne der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung sucht Paterson zwar auch nach „Leben, Freiheit und Glück“, doch seine Bedürfnisse sind bescheiden. Vielleicht zu sehr für die modernisierte Umgebung, der er auch durch die konsequente Nichtverwendung elektronischer Hilfsmittel freiwillig entflieht, weil er eben – wie übrigens der Film selbst auch – seinen spezifischen Rhythmus braucht. Die Ironie der Filmproduktionswelt ist, dass „Paterson“ ein Kind des IT-Giganten Amazon ist, der sich durch sein Tochterunternehmen Amazon Studios (neben dem gleichgesinnten Konkurrenten Netflix) allmählich zu einem Major im Bereich TV und Film entwickelt.
  orson_46084c1270.jpg
Orson (03.11.2016 23:48) Bewertung
AW: gut
Danke, Lucy. Ich war bei keiner Pressekonferenz, auch kenne ich die Filmemacher leider nicht :) Ich mag Jarmusch und Pessoa, "Smoke" ist einer meiner Lieblingsfilme und Adam Driver habe ich durch Baumbachs Filme kennengelernt. Der Rest hat sich dann daraus und aus den Details des Films selbst irgendwie ergeben.

zum gesamten Filmforum von „Paterson“
zurück zur Userseite von Orson