Wonder Woman

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Forumseintrag zu „Wonder Woman“ von chrosTV


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chrosTV (26.06.2017 22:57) Bewertung
Truly wonderful
Exklusiv für Uncut
Im Jahre 2008 machte Comic-Gigant Marvel Fans weltweit ein großes Geschenk: Betitelt als das Marvel Cinematic Universe plante man sämtlichen beliebten Figuren der Comics eigene Standalone-Filme zu widmen, um diese dann im 2012 erschienenen Avengers-Film erstmals im Kino aufeinander treffen zu lassen. Das Konzept eines filmischen Universums voller Superhelden erwies sich nicht nur bei Superheldenfans, sondern auch beim weltweiten Publikum und aufgrund der stets hohen Produktionsqualität zumeist gar bei der internationalen Kritik als großer Erfolg. Neun Jahre und 15 Filme später gilt das MCU nun als das gewinnbringendste Franchise der Filmgeschichte - ein einst sperriges Genre war plötzlich komplett im Mainstream angelangt. Hauptkonkurrent DC Comics (bekannt unter anderem für Batman, Superman, The Flash uvm.) wollte natürlich ein Stück vom Kuchen der plötzlichen Comicfilm-Popularität abhaben und wollte bereits mit der 2011 erschienen Adaption von „Green Lantern“ den Grundstein für ihren Gegenentwurf zum MCU legen. Da der Streifen sich aber als großer Flop herausstellte, wurden die damaligen Pläne bis auf weiteres in den Sand gesetzt. Sommer 2013 versuchte man sich erneut an einem Re-Start eines potentiellen filmischen Universums und erläuterte in „Man of Steel“ einmal mehr die Origin-Story von Clark Kent alias Superman. Das Ganze erwies sich trotz eher mittelprächtiger Kritiken als finanzieller Erfolg und bestätigte Warner Bros. und DC in ihrem Vorhaben, ebenfalls ein filmisches Superheldenuniversum zu eröffnen. Ähnlich wie es Marvel vor dem ersten „Avengers“-Film machte, wollte man auch hier mit dem eigens getauften „DC Extended Universe“ zunächst einmal Solo -Filme herausbringen, um auf das gemeinsame Helden-Zusammentreffen in „Justice League“ (erscheint noch Ende 2017) aufzubauen. Zwar tat sich im Anschluss an „Man of Steel“ zwei Jahre lang rein gar nichts, jedoch wurde das DCEU im letzten Jahr gleich um zwei Filme reicher.

Einerseits durften sich Fans im Frühjahr 2016 in „Batman vs. Superman“ auf das erste Leinwand-Zusammentreffen zweier legendärer Figuren der Popkultur freuen, wurden dann aber von einer CGI-überladenen und schwach geschriebenen Sauerei enttäuscht. Mein großer Hoffnungsträger für das DCEU war dann „Suicide Squad“, dessen Grundkonzept rund um ein Team bestehend aus Superbösewichten sowie die fantastisch editierten Trailer Lust auf mehr machten. Berühmt-berüchtigt kam dabei dann jedoch der bis dato vermutlich gar schwächste Eintrag in das DCEU heraus, der mit einer Überzahl an eindimensionalen Charakteren und einem viel zu gezwungenen Coolness-Faktor Comic-Fans weltweit entsetzte –DCs Versuch eines filmischen Universums wurde von vielen Cineasten bereits als qualitativ gescheitert abgeschrieben.

Dementsprechend war meine Skepsis gegenüber der ersten Realverfilmung der beliebten „Wonder Woman“-Comicreihe durchaus hoch. Selbst nachdem der Film weltweit durchaus positive Kritiken bekommen hatte, konnte ich mein skeptisches Gefühl noch nicht ablegen, da mir bereits Gal Gadots kleiner Auftritt im finalen Kampf von „Batman v Superman“ überhaupt nicht gefallen hat und ich dem ehemaligen israelischen Supermodel mangelndes Schauspieltalent attestierte. Nach Sehen des Films ist mein vorhergehender Pessimismus nun aber vollkommen verpufft: Regisseurin Patty Jenkins (bekannt für das oscarnominierte Drama „Monster“) hat hiermit nämlich nicht nur den bis dato mit weitem Abstand besten DCEU-Streifen geschaffen, sondern in meinen Augen gar einen der gelungensten Superheldenfilme der letzten Jahre, der auch den Großteil der bisherigen Marvel-Produktionen locker in den Schatten stellt.

Bereits in den ersten Minuten, in denen wir das männerlose Inselparadies Themyscira, Heimat der Amazonen, zu sehen bekommen, stachen mir schon zwei Dinge ins Auge, die ich den meisten bisherigen Comicverfilmungen kläglich vermisste: echte Sets und satte Farben. Man versteift sich nicht auf den von Greenscreen- und CGI-Effekten überladenen Zack Snyder-Style, sondern entschied sich den Großteil der Szenen an echten Locations zu drehen, wodurch dem Zuschauer das Paradies der Amazonen visuell besonders schmackhaft gemacht wurde. Zu diesem magischen Look trägt definitiv auch die breitgefächerte Farbpalette bei, wobei einem zu Beginn besonders das im wunderschönen Türkis kolorierte Meer ins Auge sticht. Der ganze Film wird von konstrastreichen Farben begleitet, die in Kombination mit der tollen Kinematografie und des ungewöhnlichen Erster Weltkrieg-Settings eine Ästhetik erzeugen, wie man sie selten in diesem Genre genießen kann. Die Kampfsequenzen sind trotz der gewagten Entscheidung, diese in Slow-Motion zu rendern, spannend und vor allem kohärent in Szene gesetzt worden. Einzig und allein der Showdown gegen Ende wirkt ein wenig überladen und unübersichtlich, da man es hier im Gegensatz zum Rest des Films ein wenig mit der Verwendung von Greenscreen-Effekten übertrieb.

Eine besonders lobenswerte Entscheidung war es jedenfalls ein Minimum an Charakteren zu etablieren und den Hauptfokus auf die Arc von Diana Prince aka Wonder Woman zu setzen. In puncto Charakterisierung schaffte man es hier das Portrait einer starken und emanzipierten Frau zu kreieren, die im Vergleich zu vielen anderen Blockbuster-Produktionen der letzten Jahre nicht auf die Handlungen des männlichen Counterparts angewiesen ist. Gal Gadot gelang es in ihrer ersten großen Filmrolle meine vorhergegangenen Zweifel an ihrer Schauspielfähigkeit zu falsifizieren und meisterte die Verkörperung dieser starken Persönlichkeit mit Bravour. Auch Chris Pine weiß in der Rolle des US-amerikanischen Spions Steve, der Diana vom Ersten Weltkrieg berichtet und dieser im Kampf gegen ‚das Böse‘ zur Seite stehen möchte, verkörpert, weiß auch durchaus zu überzeugen. Besonders die ersten Sequenzen zwischen Diane und Steve tragen zum charmanten Comedy-Relief des Films bei, der zumeist perfekt getimet und kaum unangebracht verwendet wurde. In Nebenrollen wären zudem David Thewlis, Robin Wright und in einer kleineren Nebenrolle „Trainspotting“-Star Ewen Bremner hervorzuheben.

Ärgerlich bleibt letztendlich jedoch die Darstellung der deutschen Charaktere, da man sich hier einmal mehr nicht die Mühe gab, echte deutschsprachige Schauspieler zu casten, sondern einfach US-Amerikaner und Briten im gekünstelten Denglisch oder erfundenem Deutsch (das eher an Dänisch erinnerte) Sätze daherstammeln ließ. Allgemein schwächt die Charakterisierung der ‚bösartigen Figuren‘ des Films die hohe Qualität ein wenig ab, da diese zum Teil recht eindimensional geschrieben wirkten. Abseits dieser minimalen Schwachpunkte, ist „Wonder Woman“ jedoch nach „Logan“ und „Guardians of the Galaxy Vol. 2“ bereits die dritte besonders starke Comicbuchverfilmung in diesem Jahr und wird aufgrund des weltweiten Erfolgs nun hoffentlich richtungsweisend für die Zukunft des DCEU sein sowie Hollywood dazu ermutigen, mehr Filmemacherinnen die Gelegenheit zu geben, einen großen Studiofilm zu inszenieren. Ein kreatives Artdesign, kohärent gecuttete Actionsequenzen, charmanter und schön portionierter Humor und ein fokussiertes Skript – ein Superheldenfilm, wie er sein sollte!
 
 

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