Spotlight

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Forumseintrag zu „Spotlight“ von Josko


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Josko (25.10.2015 02:24) Bewertung
Zeitung gegen Kirche
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
Basierend auf wahren Ereignissen folgt der Film der „Spotlight“-Abteilung der Zeitung Boston Globe des Jahres 2001, einer Gruppe von investigativen Journalisten, die sich auf Langzeit-Recherchen spezialisiert hat. Der gerade erst frisch eingesetzte Chefredakteur Marty Baron (Liev Schreiber) hat für das Team gleich einen Vorschlag für ein neues Thema, über welches die Zeitung allerdings schon berichtet hat: der Fall eines Bostoner Pfarrers, dem vorgeworfen wird, Kinder sexuell belästigt zu haben. Obwohl sich die Anschuldigungen zerschlagen haben, riecht der neue Chefredakteur, dass mehr dahinter steckt und er sollte Recht behalten: Spotlight, in Form von Walter (Michael Keaton), Michael (Mark Ruffalo), Sacha (Rachel McAdams) und Matt (Brian d’Arcy James), kommen in Laufe ihrer Recherchen auf einen vertuschten Sexskandal immensen Ausmaßes.

Regisseur Tom McCarthy ist wohl einer der umtriebigsten Akteure Hollywoods. Als Schauspieler im Komödien- als auch im dramatischen Fach, in Filmen und in Serien zu sehen, inszeniert und schreibt er seit 2003 auch für das Kino. Dabei hat er bereits eine Oscar-Nominierung für die Co-Autorschaft zu Pixars „Oben“ zu Buche stehen. Mit der Darstellung von Journalismus hat McCarthy in seiner Karriere auch schon Bekanntschaft gemacht, spielte er in George Clooneys „Good Night and Good Luck.“ eine Nebenrolle und in der grandiosen letzten Staffel von „The Wire“ die zentrale Figur eines in Moralfragen geprüften Journalisten. Vielleicht haben diese Erfahrungen ihm auch gelehrt, wie man Journalismus – insbesondere die langwierige Recherche (Lesen von Dokumenten, Führen von Telefonaten, Zusammensetzen von Versatzstücken, etc.) – spannend inszenieren kann. In „Spotlight“ wurden solche Aktionen zu leichtfüßigen Montagen zusammengeschnitten, die einander in Bild und Ton oftmals überlappen und mit einem tollen Score von Howard Shore hinterlegt sind.

„Spotlight“ ist ein wahrer Ensemblefilm, der bis ins letzte Eck perfekt besetzt ist. Vom Hauptcast kann fast jeder in einigen wenigen Szenen sein volles Können zeigen. Eine Balance aus Büroszenen und kurzen, aber emotional essentiellen Momenten aus dem Privatleben der Journalisten macht dies möglich. Auch John Slattery (bekannt aus der TV-Serie „Mad Men“), der den stellvertretenden Chefredakteur mimt, soll nicht unerwähnt bleiben, ist er hier abermals jemand, der in ernsten Szenen trotzdem für humorvolle Momente sorgen kann.

Thematisch setzt sich der Film mit einem Phänomen auseinander, das die katholische Kirche seither nicht mehr loslässt: der sexuelle Missbrauch von Kindern durch Priester. Bei dem damaligen Bostoner Fall ging es schließlich nicht mehr um einen, sondern um 90 Kirchenangestellte, denen sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde. Vor allem aber auch die bewusste Vertuschung der Fälle durch die Kirche selbst. Obwohl „Spotlight“ dies nicht anspricht, macht der Film indirekt einmal mehr klar, dass sich die katholische Kirche nach wie vor um ihre verlogene sexuelle Moralvorstellung oder um ein Auflösen des Zölibats kümmern muss. Denn – und um mit einem Zitat des Filmes zu schließen –: „It’s not just Boston, it’s the whole country, it’s the whole world!“
 
 

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