Bronson

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Forumseintrag zu „Bronson“ von r2pi

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r2pi (08.05.2015 01:08) Bewertung
certified SANE
wer, was ist charles bronson aka charles arthur salvador, ein berufener, ein "zu größerem bestimmter", ein irrer wüterich? geboren 1952 als michael petersen, ein – durchaus schlagkräftiges – kind "anständiger, anerkannter mitglieder der kleinstädtischen lutoner gesellschaft" und 1974 wegen eines überfalls auf das postamt (die beute betrug kaum mehr als 26 pfund) zu sieben jahren haft verurteilt. "in vier jahren bist du draußen", meint noch die mutter – bis zum abschluss des drehs hatte er 34 jahre im gefängnis verbracht, davon 30 jahre in einzelhaft – obwohl er niemanden getötet hat. und laut wikipedia sitzt er noch immer...

ob er gerne sitzt – wir wissen es nicht. sollten wir seine zelle für ein loch, einen käfig halten, so sei es für ihn ein "hotelzimmer", was uns als "lebendige, atmende hölle" erscheinen mag, sei für ihn "der ort, wo er sein eisen schmieden, seine chance ergreifen konnte" – denn er habe stets eine berufung zu größerem verspürt, wusste nur nicht welche: sehr theatralisch – auf einer imaginären theaterbühne und vor einem staunenden publikum – erzählt uns charlie seine lebensgeschichte, in einer sekunde mit einem grinsen im gesicht, in der nächsten todernst, mal mit weißer clownsschminke, mal führt er eine diskussion mit sich selber als krankenschwester: opernhaft, surreal, eine farce, die uns zum lachen bringt, obwohl die umstände das lachen eigentlich verbieten.

denn die verordneten sieben jahre haft wurden immer wieder wegen gewalttaten gegen insassen und wachpersonal, geiselnahmen, sinnloser wütereien und völlig irre erscheinender, weil aussichtsloser schlägereien verlängert. charlie wurde damit zum gefährlichsten strafgefangenen großbritanniens, er wurde als "category A"-gefangener in über 120 gefängnissen herumgereicht, sicherheitsumbauten wurden notwendig, um das risiko eines angriffs zu minimieren. zwischendurch wurde er in anstalten für geistig abnorme rechtsbrecher eingeliefert: "ein gewaltiger fehler", der ihm da passiert sei, meint charlie, denn es ist in der tat erbarmungswürdig, wie der sedierte muskelprotz sabbernd dahinvegetiert. doch auch dort kann man ihn letztlich nicht beherrschen, und man entlässt ihn aus kostengründen für geheilt – "certified SANE", hält uns charlie eine tafel vor die nase.

eine dekadente party bei onkel jack und seinen kätzchen, bare-knuckle-fights (unter dem kämpfernamen charles bronson) und ein zurückgewiesener heiratsantrag mit geraubtem verlobungsring sind die highlights seines lebens in freiheit – nach 69 tagen darf er wieder sein "hotelzimmer" beziehen. doch diesmal wird ihm die kunst als ausdrucksmittel nahe gebracht, er zeichnet (die art-brut-bilder aus gugging kommen einem in den sinn), und er inszeniert. aber wie könnte es bei charlie anders sein, selbst mit nichts als ruß und blut "bekleidet", inszeniert er sich und einen in geiselhaft genommenen wärter als lebendes kunstwerk – während draußen vor der zellentür das sicherheitspersonal in helmen und mit knüppeln bewaffnet auf ihn wartet...

fazit: ein unglaubliches biopic, "based on true events", man möchte es nicht glauben... bronsons wüten ist einfach nicht mit dem verstand zu begreifen – und glücklicherweise versucht winding refn auch keine erklärung abzugeben, sondern inszeniert bronson als pechschwarze, surreale farce mit anleihen an kubricks uhrwerk orange – und mit einem großartigen tom hardy: muskelbepackt, intensiv, wild wütend und gleichzeitig ein charmant grinsender kasperl.

NB: dem echten charlie hat's gefallen.
 
 

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