Kobergs Klarsicht
Kobergs Klarsicht: Geniale Arschlöcher

Kobergs Klarsicht: Geniale Arschlöcher

Manchmal brillieren Schauspieler, weil sie genauso unsympathisch wirken, wie die Rollen, die sie spielen.
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von (DerKoberg)
Ryan Reynolds ist eines diese Hollywood-Gesichter, die man kennt, ohne wirklich zu wissen wieso. Und bei einem schnellen Blick durch seine gesammelten Werke stechen ganz klar die Katastrophen ins Auge. Etwa „Green Lantern“ oder „R.I.P.D.“ Kein Wunder also, dass er bei einer von mir imaginierten Telefonumfrage zu den Sympathiewerten von Filmschauspielern nicht besonders gut ausgestiegen wäre. „Aalglatt“, „auswechselbar“ und „schauspielerisch unauffällig“ wären mir eingefallen, wenn ich in der vierzehnten Minute des „einen Augenblick“ dauernden Telefongesprächs Adjektive zu ihm hätte finden müssen.

Und dann kommt Marjane Satrapi, deren Name ich googlen musste, obwohl sie doch den eindrucksvollen „Persepolis“ gemacht hat, und bietet dem Reynolds die Rolle, die nach genau diesen Eigenschaften verlangt: In „The Voices“ spielt er nämlich den netten, unscheinbaren, hübschen, aber etwas dümmlichen, schizophrenen Serienkiller von nebenan. Und das macht er mit Bravour. Den sanften Übergang vom mittleiderregenden Dackelblick zum geisteskranken Grinsen muss er seit seiner frühen Jugend vor dem Spiegel geübt haben.
Immer wieder gelingt es einem hollywood’schen Unsympathler, in der Überzeichnung seiner Negativeigenschaften zu brillieren und dadurch ganz plötzlich um ein großes Stück sympathischer zu werden. Das mag ein sehr subjektiver Eindruck sein. Aber ein weiteres einprägsames Beispiel ist Tom Cruise. Zugegeben, der hatte ein paar gute Filme aber Sympathie? Wirklich nicht. Dazu gibt er sich zu konsequent wie der verunsicherte und doch selbstverliebte Macho unter den ohnehin schon chauvinistisch geprägten Scientologen. Aber auch er hatte seine mit Abstand besten Momente immer dann, wenn er genau diese Eigenschaften überzeichnet hat. Zum ersten Mal als Guru der Männer-Selbsthilfe in „Magnolia“. Respect the cock and tame the cunt! Wer das nicht gesehen hat, sollte es schleunigst nachholen.

Aber der gute Tom hat sich nicht nur einmal tief in die Gefilde der Selbstironie gewagt. Knappe zehn Jahre später brillierte er dann als ebenso skrupelloser wie aufgedunsener Producer in „Tropic Thunder“ und ein vorerst letztes Mal persiflierte er sich als zutiefst verunsicherter Held der Rockmusik im ebenso sehenswerten „Rock of Ages“.



Primär sind es wahrscheinlich Producer und Caster, die wie ich der Meinung sind, dass diese unsympathischen Rollen den jeweiligen Herren an den Leib geschneidert sind. Aber immer wieder einmal muss man dann eben auch den Hut ziehen, vor dem Mut, diese Rollen auch anzunehmen. Wirklich mögen werde ich Tom Cruise wohl nie – bei Reynolds sehe ich da noch Chancen – aber ein bisschen Respekt muss man ihm dann doch zollen.
Der Autor
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DerKoberg


Forum

  • Type-Casting

    Ich kann das voll und ganz untersteichen: so unsympathisch mir Tom Cruise auch ist, in Rock of Ages spielt er genau das, was er ausstrahlt - Arroganz und Überheblichkeit und brilliert. So spielt er doch am besten, was ihm selbst am ähnlichsten ist.
    Auch Reynolds muss erst seine Nische finden, aber the Voices ist schon einmal ein guter Anfang!
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    06.05.2015, 22:58 Uhr
    • rolle & persönlichkeit

      ryan reynolds hat schon mit "buried" einen guten anfang gemacht - ob er sich allerdings zum leading man entwickeln wird, wage ich eher zu bezweifeln. (in "the voices" muss er sich sogar von seinen haustieren (ver)führen lassen ;))

      auch ich stimme zu, das geheimnis guten castings besteht nicht darin, wohlklingende namen oder talentierte schauspieler zu verpflichten, sondern die richtige persönlichkeit : wenn tom cruise gut ist, dann nicht weil ER brilliert (dazu fehlt ihm das schauspielerische talent), sondern weil die rolle seiner (mutmaßlichen, es gilt die unschuldsvermutung) persönlichkeit entspricht. das mag auch auf selbstdarstellerrollen wie in "magnolia" (hab ich nicht ausgehalten) oder "rock of ages" (nicht gesehen) zutreffen, die perfekte wahl war er auf jeden fall in "von löwen und lämmern" - als aalglatter, smarter aber nicht g'scheiter, menschenverachtender politiker.

      (btw, die einzige erotische szene die ich cruise je abgenommen habe, war der vampirsbiss in brad pitts hals - geht's sonst noch jemandem so?)
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      07.05.2015, 21:33 Uhr
    • the list goes on...

      man müsste mit tom cruise und ryan reynolds auch noch weitere namen nennen, die in diese kategorie fallen:
      so gern ich die beiden als schauspieler habe, aber irgendwie fallen sie immer ins gleiche schema zurück: leo dicaprio, johnny depp und christoph waltz. sie brillieren in rollen, die sie schon zu genüge gespielt haben und diese werden dann auch hervorgehoben. vor allem bei dicaprio gibt es genug filme, in denen er vom üblichen muster abspringt, aber in erinnerung bleiben meistens die rollen, in denen er zwischen chauvinismus, proletismus und arroganz pendelt.
      aber es funktioniert!
      umso erfrischender ist es dann, wenn schauspieler großes vollbringen, wenn sie in ganz andere charakter schlüpfen!
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      07.05.2015, 23:56 Uhr
    • @oh honey

      sich auf einen rollentyp festzulegen (aus kalkül, weil das publikum nach more of the same verlangt) ist was anderes, als eine _gut geschriebene_ rolle zu spielen, die dem eigenen charakter entspricht. denn grad die A-list-actors sind oft weniger schauspieler mit immensem talent (wie man sie vielleicht vom theater kennt), sondern "darsteller", die mehr mit ihrem persönlichen charisma punkten als mit verwandlungsfähigkeit.

      leo dicaprio: j. edgar ist (nicht nur, aber hauptsächlich) daran gescheitert, dass dicaprio einfach das falsche gesicht und der falsche charakter für die besetzung von hoover war. großartig hingegen seine performance als bösewicht in django unchained, ein highlight des films und in seiner karriere.

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      08.05.2015, 02:08 Uhr
    • rock of ages

      hab grad ein stückl gesehen davon... ich muss sagen, cruise ist mir genauso zuwider wie immer, von brillieren - find ich - keine spur. bei lämmern und löwen hatt ich wenigstens das gefühl, dass er für die rolle die perfekte besetzung ist.
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      10.05.2015, 23:54 Uhr
    • Rock of Ages

      Nachdem ich mir den Film gestern noch einmal (das 5. Mal?) angeschaut habe, bleibe ich bei meiner Meinung. Durch Cruise wird der Film erst zu dem, was er ist. Ich kann sonst zu Ihm recht wenig sagen, hab zwar einige seiner Filme gesehen, fand ihn aber immer schon furchtbar unsympathisch und ignorierte ihn deshalb. Unerklärlich ist mir außerdem, wie er es zum Sexsymbol geschafft hat!
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      11.05.2015, 22:24 Uhr
  • Schauspielerkrankheit

    Vielleicht sind die Storys und Rollen einfach nicht so groß, dass sie den Schauspielern zu richtiger Größe verhelfen würden. Ryan Reynolds ist ein Allerweltsgesicht und passt wie die Faust aufs Auge auf den typischen attraktiven Hauptcharakter. Ecken und Kanten und der Erinnerungswert bleiben fern. Dahin ging für manche schon die Sonne auf, als sie einen riesigen Coupé an Land ziehen konnten. Was wäre Guardians of the Galaxy ohne Chris Pratt? Vorher war er für mich wie unsichtbar. Als nächstes wird er in Jurassic Park brillieren. Vielleicht kommt sich für Ryan mal die ganz große Rolle, aber solange er sich mit Durchschnittlichen Filmen begnügt wage ich das zu bezweifeln.
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    06.05.2015, 20:32 Uhr