Filmkritik zu 600 Miles

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Kurz aber nicht richtig gut

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2015
    Die USA und Waffen, das gehört scheinbar zusammen wie Pech und Schwefel. Am Anfang des Filmes kauft der junge Amerikaner Carson für seinen mexikanischen Freund Arnulfo eine Waffe, was sich nicht als allzu schwierig darstellt: ein Formular ausgefüllt und schon ist man stolzer Besitzer eines Gewehres. In der nächsten Szene werden in einem Supermarkt dazugehörige Patronen gekauft; erst als Carson Zigaretten zu seinem Einkauf dazulegt, wird nach einem Ausweis verlangt.

    Diese Darstellung des ohnehin bekannten freien Zugangs zu Waffen in den USA will wohl als Kritik gelesen werden, doch ist das an und für sich natürlich schon ein alter Hut. In „600 Miles“ kaufen die beiden Freunde die Waffen nicht einmal um sie selbst zu benutzten. Der Grund ist vielmehr, dass Arnulfo von seinen Verwandten beauftragt wurde, diese nach Mexiko zu schmuggeln. In Folge dessen stellt dies für den perspektivenlosen Mexikaner die Haupteinnahmemöglichkeit dar. Obwohl sich der Film schließlich auf Arnulfo konzentriert, zeichnet der Film ein Bild einer USA, die nicht nur jugendliche Migranten, sondern auch für die „eigene“ in den Suburbs lebende Jugend keine Zukunftschancen bietet. Hauptsächlich handelt „600 Millas“ folglich von Anerkennung nicht nur in monetärer, aber vor allem gesellschaftlicher Hinsicht.

    In den Dialogen miteinander spricht Carson englisch und Arnulfo spanisch, trotzdem verstehen sie sich prächtig. Beiden ist das notwendige Vokabular der jeweiligen anderen Sprache bekannt. Trotzdem ist das Sprachengemisch im Grenzgebiet schon weitaus besser und vor allem authentischer inszeniert worden. Im Laufe des Filmes wird der ATF-Agent Hank Harris (Tim Roth) auf Arnulfo aufmerksam, woraufhin es sogar dazu kommt, dass sie gemeinsam nach Mexiko fahren. Während der Fahrt gibt es wiederholt Momente, in denen Hank Arnuflo nicht versteht und dieser darauf folgend das spanisch Gesagte noch einmal direkt übersetzt auf englisch wiederholt. Warum das der Regisseur und gebürtige Mexikaner Gabriel Ripstein auf diese Art und Weise inszeniert hat, kann ich mir nicht zur Gänze erklären, da vor allem in Grenzgebieten die Jugendsprache dazu tendiert, die Sprachen zu vermischen und diese eben gerade nicht getrennt wiederzugeben.

    Der Film weiß, was er erzählen will und ist mit 85 Minuten erfrischend kurz gehalten, aber von Lücken hinsichtlich mancher Charaktermotivation nicht gefeit. So wirkt auch das Ende: zwar konsequent, allerdings nicht ganz schlüssig.
    josko_8282916b00.jpg
    (Josko Boschitz)
    09.02.2015
    16:06 Uhr