Bilder: Filmladen, Concorde Fotos: Filmladen, Concorde
  • Bewertung

    Herrlich absurdes Märchen-Mashup

    Exklusiv für Uncut aus Cannes 2015
    Der von John C. Reilly gespielte König tötet ein Seemonster. Er tut dies, damit seine Gattin Salma Hayek endlich schwanger werden kann. Er stirbt dabei. Wie es eine dunkle Prophezeiung verlangt, wird das Herz des Monsters von einer Jungfrau gekocht und Hayek verspeist es visuell einprägsam. Einen Tag später ist das Kind da. Und gleichzeitig mit ihm auch das Kind der jungfräulichen Köchin. 16 Jahre später: Die beiden gut befreundeten Burschen sehen sich zum Verwechseln ähnlich, necken gerne die humorbefreite Mutter. Die stark an die Herzkönigin angelehnte Herrscherin will das Kind der armen Köchin loswerden.

    Soviel zur ersten von drei verrückten märchenhaften Fantasy-Geschichten, die Matteo Garrone in seinem Cannes-Wettbewerbsbeitrag erzählt. In deren Mittelpunkt stehen drei Königshäuser. Alternierend sind die Storys ineinander verwoben, ohne jedoch großartig miteinander in Kontakt oder Dialog zu treten. Als Vorlage dienten Garrone vom Neapolitanischen Dichter Giambattista Basile um 1600 aufgeschriebene Volksmythen. Giambattista gilt als einer der ersten großen Märchenerzähler. Von Neo-Neorealistischen Elementen wie etwa noch in „Gomorrha“, mit dem er Bekanntheit erlangte, ist nichts mehr übrig. Vielmehr vermischt Garrone Elemente aus Horror, Fantasy und dem surrealistischen Film. Und das vor allem auf visueller Ebene äußerst genial. Hinter der Kamera leistet Peter Suschitzky („Das Imperium schlägt zurück“ sowie zahlreiche Cronenberg-Filme) hervorragende Arbeit. Rot- und Blautönen bestimmten die kontrastreichen Bilder.

    Geschichte Nummer zwei: Ein König findet einen Floh, den er als Haustier lieben lernt. Visuell äußerst humorvoll umgesetzt hört das im königlichen Schlafzimmer hausende Tier jedoch nicht auf zu wachsen. Obendrein verheiratet der verwirrte König seine unglückliche Tochter mit einem Oger, der die Prinzessin in seine Höhle verschleppt. Toby Jones leistet hier bei der Darstellung des zwischen Melancholie und Heiterkeit balancierenden Königs großartiges. Dennoch soll das nicht darüber hinweg täuschen, dass die Charaktere des Fantasy-Triptychons in erster Linie filmische Operatoren sind. Sie sind Teil einer liebevoll komponierten Traumwelt. Ihre Handlungen sind Großteils unmotiviert, ihre Gestik dient in erster Linie der Bildkomposition und nicht zur Schärfung der Charaktertiefe. Dennoch schaffen sie es mit ihrer Mimik zu begeistern. Der Ausbau von gesellschaftskritischen Aspekten hätte sich bei dieser Art von Film ebenso angeboten. Zögerlich findet man sie auch: Königliche Willkür und das streben nach Jugend und makellosen Äußeren sind zwei zentrale Aspekte. Besonders an dieser Stelle passt der Film wunderbar nach Cannes. Der von Vincent Cassel gespielte sexsüchtige König buhlt um die Hand von in seiner Fantasie wunderschönen, in Wahrheit aber abgrundtief hässlichen Frauen, die äußerst amüsant versuchen ins Schlafzimmer des Königs vorzudringen. Auch hier schafft es die Abwesenheit von narrativer Tiefe nicht den kurzweiligen Erzählstil zu trüben. „Tale of Tales“ macht Spaß. Er besticht durch seine oft schwarzhumorig abgedrehten Bilder, kontrastreiche Optik und teils genial umgesetzten Szenen, die sich jedoch nie zu einem Ganzen vereinen können.
    patzwey_83fc2ada0d.jpg
    (Patrick Zwerger)
    11.06.2015
    12:51 Uhr
    Meine Top-Filme: