Gesellschaftskritik
Die stärkste Wirkung, die der Film bei mir hinterlassen hat, war seine gesellschaftskritische Komponente. Da gibt es Menschen, die den Großteil des Tages damit verbringen, in virtuellen Freundschaftsbeziehungen möglichst aktuell zu bleiben und dabei jene, die ihnen womöglich am gleichen Tisch gegenüber sitzen, negieren oder vernachlässigen. Zu zeigen, was dabei herauskommt, wenn jemand eine virtuelle Beziehung einer realen Beziehung vorzieht, ist die eindeutig stärkste Leistung dieses Filmes, der sein Publikum in eine vermeintlich fiktive Zukunft entführt, in der die Computer nicht mehr auf unseren Tastendruck, sondern auf unser Diktat reagieren. Praktisch, denn dann könnte ich diesen Forumseintrag diktieren, anstatt ihn zu tippen. Aber im Ernst: dass sich künstliche Intelligenz tendenziell verselbständigt, wenn sie uneingeschränkt walten kann, wissen wir seit "2001". In diesem Film ist es aber kein Raumschiff, dass seinen Kurs ändern oder seine Schleusen für sauerstoffabhängige Menschen vom Planet Erde nicht mehr öffnet, sondern ein Computerprogramm, das Theodore als Ersatz für seine Frau und für zunehmend alle sozialen Kontakte dient. Joaquin Phoenix überzeugt sein Publikum als graue Maus männlichen Geschlechts, deren Sozialkontakte überschaubar sind und Scarlett Johannson gibt (in der OV) mit ihrer rauchigen Stimme genau die Portion Erotik, die der Film braucht, um über die ganze Laufzeit spannend zu bleiben. Abgesehen davon verliert er sich nämlich ab der Hälfte in der Künstlichkeit seiner konstruierten Welt und dreht eine inhaltliche Ehrenrunde nach der anderen. Das tut aber der Genialität und der Originalität seines filmischen Konzeptes und der Umsetzung keinen Abbruch - vielleicht erleben wir in 20 Jahren die Abschaffung der Tastatur?
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